Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Montag, 21. Juli 2014

Gaeste auf dem Dach der Welt

Es ist an der Zeit, ein Land zu wuerdigen, was uns ein guter Freund geworden ist und welches, in meinen Augen, ein Synonym fuer Gelassenheit und Naturverbundenheit darstellt, zumindest wenn man sich alles etwas genauer anschaut.
NEPAL.
Ich moechte dort ansetzen, wo wir das letzte Mal aufgehoert haben - bei der Auswanderung aus Indien. Das Gefuehl, was in mir vorherrschte war hauptsaechlich (An-)Spannung, da mir Indien langsam zu viel wurde und ich in jedweder Extrem-Situation die Nerven verlor, aber es schlummerte mir natuerlich auch Vorfreude. Ich wollte zurueck nach Nepal, einen Vor-Indien-Nach-Indien-Vergleich anstellen und generell, etwas zur Ruhe kommen. Und wir beide waren uns dessen bewusst, dass Nepal mehr Raum fuer uns hat und mehr Verstaendnis fuer diese Art von Menschenflucht, derer wir uns immer mehr annaeherten. 
Alles wendete sich zum Positiven und wir erlebten wunderbare Tage in der Natur.

Das Beduerfnis, die Welt "atmen" zu hoeren, sich im Zelt aneinander zu kuscheln, Sternenhimmel zu beobachten und auf unserem Holzkocher ein Feuer zu machen und Nudeln zu kochen wurde immer staerker in den letzten Wochen in Indien. Auch war uns nicht danach, Busse zu nehmen. Also war relativ klar was passieren wuerde: Wir wuerden trampen.

Schnell wurde uns klar, dass es die beste Entscheidung war und waren erstaunt, wie herzlich uns die Nepalis, selbstverstaendlich abwinkend auf unsere "Can we go with you for free, is that okay?"- Fragen in ihre Wagen einluden. Wir wurden nahe der indischen Grenze im sogennanten "Far West" Nepals, in der Naehe von Mahendranagar, in zwei SOS-Kinderdorf Day Care Centres eingeladen, eine Art Vorschule mit jeweils ca. sechzig Kindern. Die Kleinen uebten gerade Lesen. Der Reihe nach wurden von einem Kind laut die Worte von einer kleinen Tafel abgelesen, die andere bruellten sie noch lauter zurueck - eine interessante Lernmethode.
Wir assen Unmengen von Samosas (wer nicht weiss, was ein Samosa ist, moege sich ein Rezept im Internet suchen und es ausprobieren...!) und standen bei ueber vierzig Grad in der prallen Sonne und verbrannten unsere Nacken. LKW's wurden unser Fortbewegungsmittel Nummer eins. Im Cockpit sassen neben dem Fahrer noch ein "Klopfer", der noch bevor der Fahrer etwas sehen kann, mit der Hand an die Tuer schlaegt, wenn der Gegenverkehr das Ueberholen zulaesst. Desweiteren gibt es oft noch einen dritten Mitfahrer, der sich um die Dokumente bei den Polizei-Kontrollen, die es aller zig Kilometer ueberall im Land gibt, kuemmert. Platz ist genug, also passen zwei Tramper + zwei Rucksaecke easy noch mit rein!

So sieht das dann aus: Blick aus dem LKW
In vier Tagen fuhren wir tausend Kilometer durch wundervolle Nationalparks, ueberquerten reissende Fluesse und schlaegelten uns Paesse hinauf. Die Luft war unglaublich schwuel und die Naechte im Zelt waren eine schwitzige Angelegenheit. Die Hoehensonne tagsueber gab uns den Rest. Jedes Stueck Schatten war (wenigstens mental) eine dankbare Abkuehlung.

Von interessierten Kinderaugen beobachtet: Trampen in West-Nepal
Trampen in Nepal ist super einfach
Als wir Kathmandu erreichten, fuehlte es sich fast so an, als wuerden wir nach Hause kommen. Die Strasse, die Kathmandu mit dem Westen des Landes verbindet, fuhren wir nach zwei Nepal-Besuchen am Ende insgesamt sechs Mal. Und so war es schoen, uns in "unserem" Hostel in Thamel, dem Touristen-Viertel Kathmandus, einzurichten. Die To-Do-Liste war lang, ganz oben stand jedoch die Tibet Permission, denn all unsere Informationen ueber Tibet-Reisen bestanden aus Tipps von Freunden oder anderen Reisenden, die wichtigen Details und Infos bekamen wir dann in Nepals Hauptstadt.

Nachdem wir hin und her ueberlegt und Preise verglichen hatten, fuehlten wir, dass der einzige Weg fuer uns nach Tibet fuehren wuerde, obwohl wir dafuer tief in die Tasche greifen mussten. Die einzige Moeglichkeit in dieses Gebiet zu reisen, ist mit einer organisierten Tour inclusive Guide. Alles wird vorher gebucht und bezahlt, Hotels, Transport und Sehenswuerdigkeiten. Da wir keine Normalo-Touris mit Pauschal-Funktionsuniform sind, lehnen wir ja eigentlich solche Reisen schon aus Prinzip und von hunderten Kilometer Entfernung ab, in diesem Fall schien es der einzige Weg zu sein, wenn wir etwas von dieser vergessenen Kultur erfahren wollten. Mehrere saure Aepfel wollten da verspeist werden...

Wo man hinschaut, es gibt immer etwas Tolles zu sehen!
Man koennte den ganzen Tag lang Leuten auf der Strasse zuschauen, wie hier in Kathmandu...
...Warten auf Kundschaft im Laden gegenueber der Marktfrau.
Von uns ernannte Hipster-Nepalis in Pokhara.
Nachdem wir in Kathmandu fuer Tibet alles in die Wege geleitet hatten, trampten wir nach Pokhara, besorgten uns Trekking Permits (notwendige Wander-Erlaubnis+Nationalparkgebuehr) und dann ging es in die Berge. Endlich raus. Wir wanderten eine kleine Tour, die uns bis nach Ghorepani fuehrte, ein kleines Dorf in den Bergen, deren Bewohner alles was sie zum leben brauchen mit Pferden und Maultieren den Berg hinauftransportieren. Sie leben in einfachen Verhaeltnissen, meist mit ein paar Tieren, einem Gemuesegaertchen und einem Brunnen vor dem Haus. Durch die steigenden Touristenzahlen kommt auch immer mehr Geld den Berg hinauf.
Viele kleine Pfade, schlammige und steinige und viele Treppenstufen fuehren nach Ghorepani, das von wunderschoenenen Taelern und Bergen umgeben ist.
Besonders beliebt ist dieser Ort als Ausflugsziel wegen dem Gipfel der nur wenig oberhalb liegt: Poon Hill. Von dort aus hat man bei klarer Sicht einen unvergesslichen Blick auf die Himalayas. Ein Mann aus dem Ort erzaehlte uns, dass die letzten zwei Wochen frueh bewoelkt waren.
Wir hatten Glueck! Sonnenaufgang auf dem Poon Hill mit Blick auf den Dhaulagiri (8167m)
Die Ruhe, die uns oft umgab, das Wandern durch das zwitschernde Gruen, die klare Luft und die Zweisamkeit brachte uns nicht nur einander naeher, sondern gab uns auch wieder ein Gefuehl von Naturverbundenheit und wir fuehlten uns wilder (ein Lehnwort von Gwen und Patrick). In gewisser Weise ist hier die Welt noch in Ordnung, die Zeit verfliegt nicht so schnell wie in der Stadt, der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet kurz nach Sonnenuntergang, die Menschen leben mit der Natur. Das fand ich sehr faszinierend, obwohl wir das im letzten Jahr oftmals erleben durften. In Nepal konnte man aber die Natur in den Menschen spueren. Wenn man in runzlige Gesichter schaute, in wache Augen, dann erzaehlten all diese Bilder eine Geschichte, die immer auch mit Wind und Wetter zu tun hat. Die Haende werden von der Farbe der Erde nie wirklich sauber und sprechen Baende ueber die Verbindung, die Menschen und Natur hier haben, ja eine regelrechte Liebesgeschichte.
Wir fuehlten uns von dieser warmherzigen Mentalitaet schnell sehr angesteckt, fuehlten uns ueberall willkommen und bekamen oft das Gefuehl vermittelt, gern gesehene Gaeste auf dem Dach der Welt zu sein.
Unsere Augen werden geschaerft und unser Blick
faellt immer oefter auf die wesentlichen Dinge
Ich vermute, die Bergluft sorgt nicht nur fuer voll ausgefuellte Lungen sondern auch fuer einen klaren Kopf, denn so gelassen und so ruhig wie hier, fuehlte ich mich lange nicht mehr und sogar meine zuletzt eingeschlafene Kreativitaet kehrt zurueck.
Es kann ja sein, dass ich mir all das nur einrede, aber bei den meisten Menschen, die einige Zeit in Nepal verbringen, kann ich eine aehnlich ausgeglichene Art feststellen. Ich wuensche jedem Menschen, dass er diese Erfahrung selbst macht, eine Weile aus dem Strom der Zeit ausbricht um in Nepal eine Pause zu geniessen.

Endlich raus und mitten rein

Panorama-Blick zum Fruehstueck in Tadapani
Mit jedem Tag rueckte unsere Tibet-Reise naeher und wir wurden immer aufgeregter. Die Vorstellung, den Himalaya zu ueberqueren und bis nach Lhasa zu reisen, gribbelte uns im Bauch und wir waren in den letzten Tagen unheimlich aufgeregt.
Ich schrieb in mein Tagebuch: "Selten war ich vor der Einreise in ein Land so voller Aufregung. Vielleicht vor dem Iran. Oder auch in China. Aber diesen Traum wahr zu machen, uebersteigt meine Vorstellungskraft!"
Irgendwie war es nicht nur die Besonderheit Tibets, von der ich mich gerufen fuehlte, es war auch der Reiz, die Strecke, die wir im Februar fliegen mussten, ueber Land ein zweites Mal zu erleben - auf eine ganz andere Art!

In Gedanken schon in Tibet, in Wirklichkeit sahen wir in Nayapul diese Jungs
gebannt auf einem Smartphone Filme schauen.

Arbeiter auf den Reisfeldern, Westliches Nepal
Wir haben uns letztendlich schwer mit dem Abschied von Nepal getan, da uns alles so gut gefiel (bis auf die nervigen Haschisch-Verkaeufer in Thamel), dass wir nachdem wir die Grenze ueberquerten, traurig auf unsere Ausreisestempel schauten und uns sagten, dass wir bald wiederkommen wuerden.

Allgemein habe ich festgestellt, dass ich kein Mensch fuer ein Land wie Indien bin, wo mehr als eine Milliarde Inder tagtaeglich die Strassen, Doerfer und Staedte fluten. Ich bin da eher gemacht fuer die nepalische "Light"-Variante der Strassenkultur. Zwar sind auch hier ueberall Menschen, es ist laut, dreckig und es ist anstrengend. Aber es geht geordneter zu, es gibt mehr Gruen und ingesamt ist alles unaufgeregter. 

Gelebter Hinduismus...

...neben zelebriertem tibetischen Buddhismus in Kathmandu.
Nepal ist ein Land des Einklangs.
Und so verliessen wir Kathmandu mit prall gefuellten Rucksaecken in Richtung Nordosten.
Mit Tibet begann, wenn auch nicht aus unserer Sicht, ein neues Kapitel in China.
Es ist hier verboten, ueber jegliche geschichtliche Geschehnisse der letzten 60 Jahre in Tibet zu sprechen, weswegen wir auch vorerst keinen Blog-Artikel zu Tibet veroeffentlichen werden. Fuer eine Alternative haben wir aber schon eine Idee.
Wer dennoch Fragen hat, kann uns gerne eine Email schreiben. Uns liegt dieses Thema sehr am Herzen!

Wir sind dankbar ueber die Begegnungen in Nepal und moechten die allgegenwaertige Nachricht, "Never Ending Peace And Love", an euch weitergeben.

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Wir sind mittlerweile in Kunming, im Sueden Chinas angekommen und befinden uns zur Zeit auf Wohnungssuche und hoffen, auch bald Arbeit gefunden zu haben. Sobald wir eine Adresse haben, geben wir gerne Bescheid an alle die es interessiert. Wir planen, hier zwei bis drei Monate zu leben, wieder ein bisschen Routine zu spueren und uns ein bisschen Zeit fuer uns alleine nehmen wollen. Und zu arbeiten.

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Eine grosse Umarmung und Liebe Gruesse aus dem verregneten Yunnan.
Eure zweiaufwohnungssuche, euer Elmi.