Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Die Geschenke von Karabakh

Was Ruhiges als Lesemusik: múm - Finally We Are No One [Full album]

Anekdote vom Montag:
"Es ist dunkel und die Scheinwerfer des Autos lassen nur erkennen, was unmittelbar davor ist.
Ich sitze mit Hauslatschen auf dem Beifahrersitz eines alten Lada Niva. Wir fahren ueber eine alte Bruecke. Schlagloecher, abgebrochene Gelaender. Wir halten nach kurzer Fahrt in einem Grundstueck an, der Fahrer steigt aus, reicht dem Jungen, der auf ihn zu kommt, zwei Flaschen Oel aus dem Kofferraum, steigt wieder ein und laesst das Auto zureckrollen. Er legt den Rueckwaertsgang ein und laesst die Kupplung schnippen. Der Wagen springt an. Nur wenige Meter weiter, vor einem alten Bauernhaus, halten wir wieder. Hier sei das "Magasin", der Einkaufsladen, erzaehlt er mir. Wir verlassen beide den Lada und der Mann, dessen Name ich vergessen habe, klingelt. Eine kleine, rundliche Frau oeffnet die Tuer. Wir kaufen Wein, Cognac, Bier und zu Essen. Zurueck geht es wieder ueber die einspurige Bruecke. Wir muessen warten, wir haben Gegenverkehr. Als der Kleinbus neben uns haelt, kurbeln beide die Fenster herunter. Sie reden schnell. Der Mann im Bus reicht ihm einen Schraubenschluessel. Mein Fahrer legt ihn hinter sich in den Fussraum. Ein kurzer Abschiedsgruss und dann geht es weiter. Als wir am einzigen beleucheten Haus vorbei kommen, stoppen wir abermals. Maenner, die alle staubig sind, schleppen Saecke von dem kleinen scheunenartigen Schuppen in den Transporter, der davor abgestellt ist. Im Schuppen laeuft eine Maschine. Sie zerkleinert Getreide und Mais. Das seien seine Angestellten, erklaert mir der Mann neben mir, nachdem er wieder eingestiegen ist. Wieder laesst er seinen 4-Wheele-Drive losrollen, bevor er ihn mit dem dritten Gang startet. Als wir bei seinem Haus angekommen sind, treffe ich meine Freundin im Wohnraum wieder, wie sie der Familie unseren Blog am Computer zeigt.
Ein phantastischer Tag in Karabakh geht zu Ende."

- Wir hatten eigentlich das Land bereits wenige Stunden vorher verlassen. Ueber einen Feldweg, der das Dorf, in dem der Lada-Fahrer Bagrat und seine Familie wohnen, mit Goris in Armenien verbindet, reisten wir nachts aber illegal wieder ein, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein. Dass er in Karabakh wohnt, stellten wir erst heute fest, als wir zusammen auf die Landkarte schauten.
Bagrat hatte uns eine Mitfahrmoeglichkeit nach Goris organisiert. Der schwarze Volga vor der Tuer wuerde uns in die Stadt fahren. Bevor wir letztendlich losfuhren, musste auch noch andere Dinge erledigen. Die Rucksaecke lagen im Kofferraum auf frischem Obst verstaut, die Klappe jedoch offen und nur mit einem duennen Band festgebunden. Einer seiner Kumpels, ein Halbglatziger mit kleinem Bierbauch und Jogginganzug war deutlich neugieriger als noetig, bestand darauf, ihm unsere Reisepaesse und unsere Kamera auszuhaendigen. Als wir ihn skeptisch anschauten, meinte er, er sei Polizist! Als wir protestierten, begleitete er uns zur Polizeistation. Dort wurden uns zwei Stuehle an der Wand zugewiesen und wir fanden uns in einem Bueroraum vor einem grimmig schauenden Mann wieder, der am Schreibtisch sass. Er stellte uns Fragen auf Russisch und wir antworteten so gut es ging. Es gaebe kein Problem, sagte er, auch wenn die Situation nicht gerade diesen Anschein machte. Reisepaesse mussten kopiert, Bilder mussten angeschaut und fremdsprachige Telefonate mussten gefuehrt werden, bevor wir gehen durften. Viele dieser Uniformierten genossen es sichtlich, mit ihren Lackschuhen klackernd ueber den Holzboden zu laufen und uns mit pruefenden Blicken zu belegen. Viele Erklaerungen, einige Sorgen und verabschiedende Haendedruecke spaeter, waren wir unterwegs Richtung Goris. Die Strasse zog sich ueber fuenfzig Kilometer durch unbewohntes Land, gruen, bunt, schroff und karg. Der blaue Himmel bildete einen krassen Kontrast!

Die Tage in Karabakh waren gepraegt von intensiven Gespraechen und bluehenden Gedanken, unbegreiflich schoenen Herbstfarben und grauen Regenwolken, leckeren Mahlzeiten und morgendlichem Kaffeegenuss. Vor der Grenze trafen wir auf zwei Weltreisende aus Freiburg, die ebenfalls per Anhalter in die Hauptstadt, nach Stepanakert, unterwegs waren. Wir landeten im selben Auto und konnten so den Abend zusammen verbringen. Wir assen zusammen, erzaehlten im Kerzenschein Reisegeschichten und tauschten uns aus.
Am naechsten Tag reisten wir weiter bis zum Kloster Gandzasar in Vank. Mit zwei Autos. Beide Fahrer wollten eigentlich gar nicht dort hin fahren und taten es extra fuer uns.
Wir zelteten auf dem Friedhof, obwohl wir von einem Moench ins Gaestezimmer eingeladen wurden.
Wir sprachen wieder, sassen zu viert im Zelt, geschuetzt vor dem Regen und der Kaelte.
Es war eine sehr inspirierende Begegnung fuer mich. Sie schienen so voller Ideen zu sein, so begeistert von vielen Dingen auf einmal und genossen das Reisen auf eine ganz aehnliche Weise wie wir, da auch sie aufs Fliegen verzichten wollen und hauptsaechlich durch die Welt trampen. Andererseits unterscheiden sie sich von uns einfach durch vieles, was wir seit Beginn der Reise verlernt haben. Zum Beispiel: Den Ort zu zelebrieren! Die Schoenheit der Landschaft wieder mehr zu wuerdigen, die Besonderheit der Situation anzuerkennen, die Reichhaltigkeit von Mahlzeit und Schlafplatz zu loben, auf die Liebe von Mitmenschen aufmerksam zu machen und das Ganze reflektiert und bestimmt rueber zu bringen. Das hat mich stark beeindruckt!
Wie leer doch unsere Reise eigentlich ist, wie projektlos? Nicht, dass ich mich vergleichen moechte. Es geht viel mehr darum, dass wirklich etwas fehlt. Naemlich der Teil in mir, der sich danach sehnt, etwas zu erschaffen. Etwas Besonderes zu machen, etwas, was die Reise verarbeitet auf eine Art und Weise, die mich erfuellt und mich befriedigt! Aber so etwas habe ich bisher einfach nicht gefunden. Und danach zu suchen habe ich schlicht und einfach vergessen, zu meinem eigenen Bestuerzen!
Also waelzte ich mich lange Stunden hin und her, fand nur schwer Schlaf und versuchte, so viel positive Energie wie moeglich aufzusaugen!
Mit vielen neuen Wegweisern im Kopf, mit einem breiten Laecheln und einem dankbaren kurzen Abschied, trennten wir uns in Stepanakert wieder. Aber unsere Wege fuehren ueber die gleichen Strassen, sodass wir uns vielleicht schon bald wieder treffen.
Einen Steinwurf von dort entfernt, wo wir "Bis bald" gesasgt hatten, wurden wir zum Kaffee eingeladen, bekamen Gebaeck gereicht und legten eine kurze, unvermeidbare Pause ein. Als wir wieder die Daumen in die Luft hielten, stoppte ein junger Mann, der uns zu einem Busbahnhof bringen wollte. Eine Situation, wie sie schon oft passiert ist. Ein Taxi wollten wir auch nicht nehmen, erklaerten wir, da wir ohne Geld reisen wollten. Trotz unseres Protestes, sobald wir merkten, was er vorhatte, steckte er uns eine 20.000 Dram-Note zu. Er fuhr uns sogar ans andere Ende der Stadt an eine bessere Stelle und wollte noch immer nicht das Geld zurueck haben. Und so behielten wir es, im Bewusstsein, damit etwas Gutes zu tun. Wenig spaeter trafen wir dann auf Bargrat, seine Frau und ihre Freundin. Er lud uns in Berdzor ein und wollte uns ein Stueck naeher an die Grenze bringen. Unsere Erzaehlungen gefielen ihm, und er bat uns mit zu ihm zu kommen. Es sollte eine Stunde von Goris entfernt sein und er wuerde uns auch wieder dahin zurueck fahren am naechsten Tag. Eigentlich war unser Plan ja, zielstrebig Richtung Iran zu reisen. Aber wir entschieden uns, der armenischen Familie Gesellschaft zu leisten und kamen dort in den Genuss einer warmen Dusche, eines traditionellen Abendessens und weichen, gemuetlichen Betten! Wir sind nun wieder um ein paar liebe Freunde reicher und durften, bevor wir das Land wieder verlassen, nochmals diese unendliche Gastfreundschaft geniessen. Wir gaben tatsaechlich an diesem Tag keinen einzigen Cent aus. So unbeschreiblich reich - in allen Belangen - habe ich mich lange nicht gefuehlt. Fast zu gut, um wahr zu sein! Ich hoffe, ich kann die Gedanken der letzten Tage ordnen und die Reise mit persoenlichen Projekten beleben, die es noch besonderer machen!
Bleibt behuetet und stets ein riesengrosses Dankeschoen fuer all eure Rueckendeckung! Sie gibt mir das Gefuehl von wahrer Freiheit!
Euer Elmi

Freitag, 4. Oktober 2013

Kringelschrift und liebe Leute

Mit viel Regen und grauen Wolken wurden wir nach Georgien geschwemmt...und mit den offensten Armen empfangen, die ein Land metaphorisch wohl haben kann.
Gut, unser Start  hier war etwas holprig: Wir ueberquerten die flughafenaehnliche Grenze bei Sarp noch kostenlos per Anhalter und wurden von unserem netten tuerkischen Busfahrer bis nach Batumi mitgenommen. Dort tauschten wir noch ein paar letzte Lira in Lari um und machten uns zu Fuss auf den Weg Richtung Zentrum. Als wir dort ankamen und auf einer Bank am Hafen muede niedersanken, war es bereits dunkel geworden und hatte zu nieseln begonnen. Elmi hatte bei Hitchwiki gelesen, dass es unweit von Batumi, in Makinjauri, einen Strand geben sollte, an dem man problemlos sein Zelt aufschlagen koenne. Also hiess es, sich wieder aufrappeln fuer die Schlafplatzsuche. Gluecklicherweise und mit der Hilfe englischsprechender Menschen an der Bushaltestelle fanden wir relativ unkompliziert den richtigen Bus nach Makinjauri und erreichten den steinigen Strand, als am schwarzen Hoizont die ersten Blitze aufzuckten. Das Meer war wild und aufbrausend und grummelte bedrohlich. Dennoch bauten wir unser kleines kompaktes Zuhause am Strand auf und schafften es noch, hinein zu schluepfen, bevor der Regen begann. Es wurde die wohl stuermischste Nacht bisher auf dieser Reise: Das Meer klatschte wuetend ans Land, Blitze erhellten die Zeltwaende und der Prasselregen trommelte laut in unseren Ohren. Elmi tat kaum ein Auge zu und auch ich wachte immer wieder auf und zog die Beine ein Stueck weiter an, damit sie nicht in der Wasserlache lagen, die sich am Fussende gebildet hatte...Am naechsten Morgen hatte der Regen immernoch nicht richtig aufgehoert und wir stellten erschrocken fest, dass das Meer ueber Nacht vielleicht fuenf Meter nah an unsere Schlafstelle herangewandert war. Wir packten unsere Sachen und liefen gezeichnet von der Nacht zum Bahnhof in Makinjauri, wo wir uns erstmal - im Trockenen und Warmen - ueberlegten, wohin wir denn eigentlich zunaechst wollten.

Auf Trampen hatten wir beide keine Lust, ohne Karte machte es ohnehin nicht viel Sinn. Elm hatte sich in der Tuerkei schon mal eine ungefaehre Route in Georgien angeschaut und so suchten wir uns eine Marschrutka nach Kobuleti. Fuer diejenigen dieser Begriff unvestaendlich ist, hier eine kleine Beschreibung: An sich handelt es sich bei einer Marschrutka um einen Kleinbus mit etwa 14 Sitzplaetzen. Oft spielt es aber keine Rolle, wieviel Leute sitzen koennen - solange noch geschoben werden kann, passen noch Leute rein! Langstreckenfahrten sind meist nicht allzu ueberfuellt, aber auf kleineren Strecken kann es durchaus so eng werden, dass man beim Bremsen nicht mal mehr umfallen kann. :) Bezahlt wird irgendwann auf der Fahrt, wenn es nicht anders geht, werden die Muenzen auch einfach ueber mehrere Sitzreihen nach vorne zum Fahrer gereicht. Ich habe echt keine Ahnung, wie die Marschrutkafahrer es schaffen, einen Ueberblick darueber zu behalten, wer bereits bezahlt hat und wer nicht...
Jedenfalls fragten wir uns nach der Nummer des Minibusses durch und bekamen von einer Frau gesagt, er haette keine und wir muessten einfach nach dem Stadtnamen schauen. Das Problem war nur: Wir konnten es nicht lesen! Georgische Buchstaben mit all ihren Kringeln und Schnoerkeln sind fuer uns zwar wunderschoen und maerchenhaft, aber sagen uns leider nicht viel. Die Frau hatte uns auf einen Zettel "Kobuleti" auf georgisch gekrizelt und so fanden wir durch Buchstabenvergleichen doch noch die richtige Marschrutka.

In Kobuleti folgte dann die erste amuesante Begegnung mit der georgischen Gastfreundschaft: Vom Grau des Himmels und der Orientierungslosigkeit ohne Karte etwas demotiviert, liefen wir eine Strasse entlang, als uns zwei Maenner aus einem Autoreifengeschaeft heraus wild etwas zubruellten. Elmi war genervt und rief auf Englisch zurueck, er wolle nicht so angeschrien werden. Igendwie stellte sich dann heraus, dass der Chef des Autohandels, Zaori, Deutsch sprechen konnte. Er fragte, wohin wir wollten und erklaerte, er habe einen Marschrutkafahrer als Freund, der uns vielleicht kostenlos mit nach Zestafoni nehmen koenne. Oder wir koennten einfach da bleiben, mit ihm essen gehen, ohne Geld bei seinem anderen Freund im Hotel schlafen...Dieser Einladung folgte ein Abend in einem kleinen Restaurant am Waldesrand, indem Zaoris Neffe arbeitete. Er bestellte fuer uns drei - viel zu viel, wie sich schnell herausstellte. Pizza, Katchapuri (Teigfladen mit Kaesefuellung-ein sehr typisches Gericht hier), Schaschlik, gefuellte Champignons, Fladenbrot....und dazu viel Rotwein. Zaori lehrte uns, wie in Georgien getrunken wird. Ein Trinkspruch folgte dem naechsten, auf alle guten Menschen, unsere Eltern, unsere Brueder und Schwestern, Deutschland und Georgien, alle schoenen Frauen und guten Maenner...Wir waren schon so satt und vollgefressen, doch unser Gastgeber forderte uns immer wieder auf, doch zuzugreifen. Er bot uns nach einer Weile an, doch mit seinem Handy mal nach Deutschland zu telefonieren, er habe einen speziellen Tarif, da seine Frau in Deutschland wohne. Und so ueberraschten wir eine erstaunte Mama und eine vermisste Freundin mit einem Anruf...:) Spaeter gesellten sich noch tuerkisch-georgische Freunde zu uns, es wurde noch mehr Essen aufgetischt, wir tanzten im Regen und genossen die verrueckt herzliche Mentalitaet in diesem herrlichen Land! Spaet fuhren wir dann zusammen zu Zaoris Eltern in eine kleines Dorf auf gruenen Bergen. Auch dort empfing man uns mit laechelnden Gesichtern und wir wurden gleich wieder an den gedeckten Tisch gebeten. Bei Elmi passte partout nichts mehr rein und auch ich war dem Platzen nahe. Bewegungsunfaehig, aber sehr dankbar schliefen wir an diesem Abend mit dem Geraeusch des Regensturms vor dem Fenster ein.

Am naechsten Tag setzten wir unsere Reise nach Zestafoni fort. Die Marschrutka huckelte durch wunderbare Landschaften, vorbei an niedlichen Haeusern mit Khaki- und Orangenbaeumen im Garten, Ziegenherden am Strassenrand, kleinen Waeldern...ich fuehlte mich schon da so wohl in diesem Land und irgendwie viel freier und entspannter als in der Tuerkei. Georgien entspricht durchaus eher meinem Geschmack. :) Nach mehreren Stunden Busfahren erreichten wir Zestafoni und wollten eigentlich weiter zur Hoehlenstadt von Vardzia fahren. Es war aber schon spaet und wir hatten keine Ahnung, wohin wir laufen mussten. Etwas planlos standen wir herum, als uns ein Mann auf recht gutem Englisch ansprach und uns darueber aufklaerte, dass wir weit von Vardzia entfernt waeren und es offenbar mit einem kleinen, langweiligen Doerfchen mit dem gleichen Namen in der Naehe von Zestafoni verwechselt haetten. Wir koennten noch einen Bus nehmen, kaemen wohl aber an diesem Abend nicht mehr zur Hoehlenstadt. Er bot an, mit zu ihm zu kommen und dann am naechsten Morgen den zeitigen Bus zu nehmen. Nach einigem Abwaegen nahmen wir schliesslich das zweite Uebernachtungsangebot innerhalb von zwei Tagen an. Georgi wohnte nicht weit von der Marschrutkastation entfernt und wohnte gerade allein in einem riesigen Haus, da seine Frau in Tbilisi war. Den ganzen Abend lang assen wir Obst, Esskastanien, tranken selbstgemachten Wein; Georgi erzaehlte von Sowjetzeiten und im Fernsehen lief ZDF...:) Mit Georgis Hilfe bekamen wir am naechsten Morgen sogar noch einen Rabatt fuer die Marschrutka ausgehandelt und kamen abends doch endlich im richtigen Vardzia an.

Dort stand uns wieder eine Nacht im Zelt bevor und das rief bei uns nicht besonders grosse Begeisterung hervor. Nach vier Monaten unterwegs haben wir unser Zeltchen zwar sehr zu schaetzen gelernt, aber doch ist es manchmal einfach nervig, im Dunkeln irgendwo anzukommen, dann noch muede durch die Gegend zu stiefeln, um einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Wenn es dann noch kalt und regnerisch wird, macht es noch weniger Spass. Dieser Abend in Vardzia war daher nicht unser bester...Zwar bekamen wir von einem Mann angeboten, in einem kleinen eingezaeunten Stueck in der Naehe eines Hotels zu campen - dieses Projekt wurde aber schnell abgebrochen, weil der Boden fuer unsere Heringe zu hart war. Letztlich fanden wir ein gemuetliches Plaetzchen am Fluss unter Baeumen. Am Morgen hatten wir dann einen Hund. "Ode", wie wir sie schliesslich tauften, hatte uns aus unerklaerlichen Gruenden zu uns gesellt und es sich neben dem Zelt bequem gemacht. Auf alle unsere Versuche, sie wegzuscheuchen, reagierte dieser anhaengliche Strassenhund nicht, also blieb sie da, bis wir alles abgebaut hatten. Nur bis zur Hoehlenstadt kam sie nicht mit.

Die Hoehlen von Vardzia dienten im 12. Jhd. als Versteck vor den Tuerken und Persern und sind heute noch von einigen Moenchen bewohnt. Es war ein total schoener Tag mit zarten Federwolken am tiefblauen Himmel, die ueber den grandiosen braungruenen Bergen schwebten. Wir kletterten ueber schiefe Treppchen, durch Hoehlen und Tunnel, besichtigten die alte Klosterkirche und staunten ueber die unglaubliche Arbeit, die hinter dem Bau der verschieden grossen "Wohnungen" gesteckt haben muss... Am Abend fuhren wir mit zwei Oesterreichern wieder nach Akhaltsikhe und fanden, diesmal sogar noch vor Sonnenuntergang einen tollen Schlafplatz auf einem Huegel mit Blick auf die Stadt.

Und nun sind wir bereits seit fuenf Tagen in der Hauptstadt Tbilisi. Und werden hier so sehr verwoehnt, dass wir schon befuerchten, naechste Woche unsere Rucksaecke nicht mehr hochheben zu koennen. Durch Kontakte von Elmis Eltern sind wir bei einer tollen Familie gelandet: Zizino, Alexander, deren Sohn Oto und die Grosseltern sind alle so lieb zu uns: Es wird jeden Tag "очень вкусно" gekocht, wir haben ein "eigenes" Zimmer, arbeiten etwas an unserem Russisch (das hier in der Familie gesprochen wird...) und koennen die Stadt und die Gegend um Tiflis herum erkunden. 
Inzwischen haben wir unsere Route erneut etwas geandert. Der urspruengliche Plan, ueber Aserbaidschan zu reisen, ist gecancelt - wir fahren nach Armenien! Nach Baku haetten wir nur gemusst, um von da die Faehre nach Kasachstan zu nehmen. Das Geld fuer das Visum und den Stress wegen einer benoetigten Einladung koennen wir uns jetzt sparen, da wir auch ueber Armenien in den Iran einreisen koennen. Also haben wir jetzt nur das kasachische Visum beantragt, da uns gesagt wurde, in Tiflis bekomme man es relativ fix und unkomliziert. Wenn alles klappt,  sind wir dann im November in Kasachstan...

Es ist total irre, wenn ich mir jetzt bewusst mache, wir weit wir schon gekommen sind und was wir bereits alles erleben durften! Heute ist Tag 116! Wunderbar! Und bis auf meinen Herbstschnupfen sind wir gesund und munter. :) 
Unser Freund Zaori lehrte uns die Weisheit "Besser ich finde zehntausend Freunde, als zehntausend Euro". Das bestaetigt sich immer und immer wieder: Geld spielt keine Rolle, wenn man sich im Herzen nahe ist. Und grandioserweise begegnen wir immer wieder solchen Herzenmenschen, die diese Reise so lebendig machen.

Ich umarme meine Liebsten in Gedanken und nutze den georgischen Wind von heute, um zu euch ein paar herbstbunte Gruesse hinueber zu pusten!
Alles Liebe und Schoene, 
Emma.

Der erste Eindruck des georgischen Strassenverkehrs


Batumi und die wilde See


Regentanz mit Zaori


Ausblick beim Marshrutkafahren


bei Georgi: Elmi kann endlich wieder mal spielen...


Akhaltsikhe, Emma und Tuerme


"Ode"


Die Hoehlen von Vardzia


Eingesperrt ;)


Gruen 


Hupen!


Bunt


"AlwaysUltraPeaceBridge", "Broken Heels", "SpacePark" and "The Surround View Gondula", Tiflis


Tagesausflug nach Mtskheta


Aeusserst amuesante Hochzeitszeremonie, Mtskheta


Kloster auf dem Berge nahe Mtskheta


Baum, Elm, Lada


Schoenes Haus in Tiflis


Donnerstag, 3. Oktober 2013

Müslümanlar çay içmek!

Lieber Lesezirkel,

Müslümanlar çay içmek! heisst so viel wie Moslems trinken Tee! - Und damit Herzlich Willkommen!
Ich moechte diesen Post traditionsgemaess mit ein bisschen Musik schmuecken. Dieses Mal, abschliessend zum vorherigen Land, tuerkische Musik - und zwar in vielen verschiedenen Facetten. Natuerlich ist es allein unsere Empfindung und es gibt sicherlich viele, die das Ganze total anders sehen. Ausserdem haben wir ja waehrend unseres Tuerkei-Aufenthaltes nur einen minimalen Einblick genossen:

Beginnen wir aber mit etwas Besonderem und ich sage euch: Lieder wie diese sind selten! Erstens ist folgender Titel in Englisch, zweitens singt der Saenger nicht andauernd im Tremolo und drittens ist die Musik sogar schoen. Der ein oder andere wird sich vielleicht sogar erinnern. Bei mir klingelte es. - Athena - For Real.

Wir waren also in Çakraz. Von dort aus ging es immer am Schwarzen Meer entlang durch die gruen schimmernde Landschaft, durch kleine traeumerische Doerfchen ueber teils braun-schlammige Strassen und an schroffen, wuchtigen Bergen vorbei.
Wo wir ausstiegen, zogen wir Blicke auf uns. Oftmals gab es zumindest einen Mutigen, der dann auf uns zu kam und uns fragte, wo wir herkaemen. Meistens wurde dann unsere Antwort wiederholt und man willkommen geheissen. Die zweite Frage konnte bereits sein, ob wir verheiratet waeren. Oder sie lautete: "Çay?" - "Tee?"
Vor der Reise haette ich nicht gedacht, dass ausgerechnet die Tuerken so viel Tee trinken, wo doch bei uns der tuerkische Kaffee so beruehmt ist und wir ja bereits in der Schule im Kindesalter Lieder wie "C-A-F-F-E-E" singen mussten, bei denen zweifelsfrei klargestellt wurde, dass der "Tuerkentrank" uns nur blass und krank mache und wir doch nicht so suechtig werden sollen wie die Moslems! -
Nun, die Tuerken haben ihren Teil aus der Geschichte wahrscheinlich besser gelernt als wir. - Zumindest sahen wir hoechstselten jemanden, der sich des Suchtgetraenkes Kaffee bediente. Ob nun der schwarze Tee besser ist, ist die Frage, zumal vor und nach jeder Mahlzeit Çay serviert wird und zwischendurch sowieso! Aber meiner Wahrnehmung nach trinkt der Durchschnittsdeutsche um Laengen mehr Kaffee. Und zwar poetteweise!

An sich war diese Erfahrung sehr einladend und nett. Aber oft war nach dieser Geste auch Schluss. Wenn wir gefragt wurden, wo wir denn schlafen wuerden und ob wir ein Hotel braeuchten, erwiderten wir in vielen Situationen, dass wir es noch nicht wuessten und hoechstwahrscheinlich irgendwo zelten wuerden. - Die uns gegenueber vielgelobte Gastfreundschaft der Tuerken endete bei uns aber leider meistens nach dem Çay.
In Sinop, der Stadt, die dem Schwarzen Meer durch seine Landzunge (bzw. Seezunge) seine charakteristische Form verleiht, kamen wir dann aber doch noch "in den Genuss" tuerkischer Gastfreundschaft. Ahmed, ein Fischer, sprach uns auf Deutsch in einer Teestube an, wo wir auf Toilette gehen wollten. (Zu Emmas Entsetzen fanden wir aber nur ein Pissoir vor. - Das wohl eindeutigste Symbol fuer die Maennerdominanz.) Er nahm uns mit zu seinen pensionierten Kollegen, wir plauschten ueber seine Zeit in Deutschland, tranken Bier (!) und wurden zu ihm nach Hause eingeladen. Er wohnte in der Wohnung ueber seinen Eltern, hatte einen dreijaehrigen Sohn, den er als wir gegen Mitternacht eintrafen, bei seiner Mutter abholte. Die Wohnung war in einem kuemmerlichen Zustand. Starker Gestank stand in den Raeumen und Fluren und das Inventar war unglaublich verdreckt. Uber die sanitaeren Bedingungen schweigen wir lieber. Wir versuchten, so wenig wie moeglich anzufassen und im Bett schliefen wir lieber mit unseren eigenen Schlafsaecken. - Wobei ich ewig brauchte wirklich Schlaf zu finden, denn das Geraeusch von nagenden Maeusezaehnen hinter der Kommode liess nicht nach.
Wir waren dankbare Gaeste, bemuehten uns aber am naechsten Morgen, schnellstens wieder zu verschwinden! Somit waren wir ein bisschen bedient von der tuerkischen Gastfreundschaft.
Passend dazu ein Lied der Kategorie "Geht gar nicht": Sepet - Demet Akalın.
Spaetenstens am naechsten Tag in Samsun entschlossen wir uns, nicht mehr Zeit als noetig in Türkiye zu verbringen, nachdem wir auf dem Weg dorthin erneut auf ein Ekelpaket gestossen waren. Wir zelteten im Park und brachen nach einem staerkenden Fruehstueck auf. Von dort aus ging es dann relativ fix bis Trabzon

Wir hatten von Daniel, unserem inoffiziellen Iran-Experten und Freund von Locken-Lars (Danke fuer den Kontakt!), erfahren, dass dort ein Iranisches Konsulat ist, bei dem man das Visum innerhalb eines Tages bekommt.
Nach vielen positiven Reiseberichten und ausgiebigen Recherchen ueber den Iran, und die Planung der weiteren Reiseroute von dort aus, haben wir uns fuer die Aenderung unserer Route entschieden und dieses medienpraesente Land in unseren Reisekanon aufgenommen.
Meine Eltern und viele Freunde hielten das zuerst verstaendlicherweise fuer keine gute Idee. Aber wir haben diese Entscheidung nicht ueberstuerzt getroffen. Was man ueber den Iran hoert, liest und sieht ist doch zumeist sehr beeinflusst von der politischen Auseinandersetzungen mit der westlichen Welt. Jedoch beschreibt dies nicht im Geringsten die Bevoelkerung des Landes sondern lediglich die politische Position der Regierung. Und denken wir mal praktisch: Wo kommt man als Auslaender mit der Regierung in Kontakt, wenn man sich an die geltenden Regeln haelt? - Die Regeln sind natuerlich strenger und vielleicht fuer unsereins unverstaendlich und ungewohnt, aber so lange wir nicht als unverheiratetes Paar knutschend, mit kurzen Klamotten oder mit Amerika-Flagge herumrennen oder versuchen, das Christentum zu bewerben, wird uns schon nichts passieren. Und der neue Praesident scheint ja auch ganz positive Entscheidungen zu treffen. Natuerlich gibt es dort noch viel Zensur und Sperrungen (Facebook, Google etc.), aber auch das wird nicht so schlimm.
Auf jeden Fall klappte alles problemlos und wir trafen sogar ein paar andere Reisende. Samu, ein radelnder Deutscher, beantragte ebenfalls sein Visum. Seine Reiseroute klang, nebenbei gesagt, weitaus gefaehrlicher als unsere.

(Zwischendurch eines der noch harmlosen tuerkischen Songs: Dokunma - Seksendört)

Samu war auch derjenige, der uns Yusufeli empfahl. Wir verliessen also bei Iyidere das Schwarze Meer und fuhren landeinwaerts nach Ispir, durchquerten dabei wunderbare Natur und sahen erstmals in unserem Leben Teeplantagen, die uns entlang der Berge begleiteten. Wir zelteten wie so oft im Regen und versuchten, abermals sonntags, nach Yusufeli zu kommen. Schon die Woche zuvor kamen wir nur knapp sechzig Kilometer weit, obwohl wir den ganzen Tag gelaufen waren und getrampt hatten. Dieses Mal schienen wir mehr Glueck zu haben, als ein Mann in einer Dolmuş (tuerkischer Minibus) anhielt, und uns einlud.
Wir waren viele Stunden mit ihm unterwegs, fuhren auf kleinen, teils einspurigen Strassen, beobachteten die unheimlich riesigen Baustellen und schlaengelten uns so nur sehr langsam durch die Berge. Wir waren erleichtert, als wir unseren Zielort erreichten, denn es war schon dunkel. 
Wir hatten, wie immer, vor dem Einsteigen geklaert, dass wir kein Geld haetten, und er hatte uns versichert: "money no". Wie sich dann aber, achtzig Kilometer spaeter, in Yusufeli herausstellte, hatte er jedoch scheinbar "money normal" gesagt, was soviel heisst wie: "Natuerlich gegen Geld!". Denn er hielt die Hand auf rieb Daumen, Zeige- und Mittelfinger aneinander. Mein Herz plumste fast zu Boden: "Hatte er nicht gesagt, es sei okay ohne Geld?". 100 Tuerkische Lira wollte er haben. Natuerlich viel zu teuer! Das sind fast 40 Euro! Aber was sollten wir tun? Einerseits ueberwaeltigt vom Schreck, im Nachhinein andererseits zu widerstandslos gaben wir ihm das Geld, was wir extra abhoben und gingen resigniert schlafen. Die Tuerkei war wohl nicht unser Land... 
Bisher hatten wir nur einmal Geld bezahlen muessen: Zwei amerikanische Dollar, an den Moldaven, der uns mit ueber die Grenze genommen hatte und uns einreden wollte, trampen in Rumaenien sei viel zu teuer...! Aber nun ja. Auch das kann eben auf so einer Reise mal passieren. Letztendlich war es nur unser dritter Grund, das Land zu verlassen.

In Hopa, nahe der georgischen Grenze, kehrten wir in ein guenstiges Hotel ein, weil wir den Regen satt hatten und nach einem Bett und einer Dusche laechzten. Allerdings fragten wir uns auch hier, warum guenstig auch immer gleich versifft bedeuten muss? Aber dazu faellt mir nur ein, dass dies wohl im Vergleich zu dem, was uns wahrscheinlich mancherorts in Ost-Asien bevor steht, noch luxurioes war. Wir gaben all unser tuerkisches Geld fuer Essen aus und trampten nach Georgien. Als eine Dolmuş anhielt, waehnten wir uns schon im anhaltenden Unglueck, aber der Fahrer versicherte uns dieses Mal glaubhaft, wir muessten nichts bezahlen und so fuhren wir nach Sarp, wo wir zu Fuss die Grenze nach Georgien passiern mussten. Auf der georgischen Seite in Sarpi stiegen wir wieder ein und fuhren nach Batumi. Georgien verdient jedoch einen eigenen Post!

Abschliessend die tuerkische Radio-Musik als Endlosversion. Hoert euch das ohne Pause an, und ihr fuelt euch so, als waert ihr live dabei gewesen:  Türkçe Pop Müzik Mix 2013.

Exquisites Wohnhaus an der Schwarz-Meer-Kueste


Regen, Sonne und Wolken gingen mit uns Hand in Hand.


Geschenke muss man mit viel Liebe wertschaetzen...


...und einander schoene Augen machen!


Malerische Landschaften nahe Ispir


Bergdorf auf dem Pass (vor Ispir)


Karge Landschaften - wunderschoen!


Fruehstueck in Yusufeli


im LKW nach Artvin


Die Landschaft erinnerte mich manchmal an die Fjorde in Norwegen


Die allgegenwaertige Halbmond-Flagge



100% ELMA

Ganz viele Gruesse an alle, die mit uns "reisen"!
Eine grosse georgische Umarmung aus Tbilisi,
Euer Elmi :)